Wenn aus Arbeit Muße wird

Eigentlich im Rahmen eines Seminares, ging es um die klangliche Untermalung einer Filmsequenz. Sieben Minuten Kurzfilm ohne Ton. Der Arbeitsauftrag war klar: Ein Konzept für die Musik entwickeln und am Beispiel von einem einminütigen Ausschnitt jene Planung praktisch darstellen. Auf Grund der unterschiedlichen mitgebrachten Erfahrungen und Kapazitäten der Studierenden, sollte das praktische Beispiel nur exemplarisch mitgebracht werden.

Meine Einstellung zu dem Seminar war eine recht niedrigschwellige. In einer Stunde schnell etwas zurechtpfuschen und das Modul abschließen. Note egal, Hauptsache fertig.

So schaute ich mir zwei drei mal den Film an und suchte mir eine Stelle heraus, die meines Erachtens gut vertonbar schien. Schon beim ersten Sichten summte ich leise irgendwelche Melodien mit. Zu erst bekanntes aus dem weiten Repertoire von klassischer und barocker Musik, dann, beim zweiten, erste improvisierte Töne. Da wird doch was draus!

Also kramte ich mein altes Cello heraus, welches seit Heilig Abend kein Tageslicht mehr gesehen hatte und fing an das Erdachte neben laufendem Film zu spielen. Das Resultat: Mäßig. Schiefe Töne und irgendwie doch nicht alles so passend. Zu viel vorgenommen ohne, dass es auf irgendeine Weise stimmig scheint. Also musste ich mich doch noch einmal ran setzen und die musikalische Überforderung entschlacken. Gleich im Anschluss wurde auch mal wieder die G-Moll Tonleiter geübt, welche zuvor noch etwas daneben klang und danach auch nochmal ein paar Bogenübungen, welche gar nicht mehr so flüssig gingen.

Nun ging alles doch besser. Einfacher zu spielen und vielleicht auch passender. Jetzt konnte es aufgenommen werden. Das Maximum an erreichbaren technischem Equipment stellte der Sprachrecorder meines Handys da. Aber naja, Verluste gibt es immer. Also wurden die einzelnen Spuren mit dem Smartphone aufgenommen.

Anschließend mussten diese am Laptop nochmal bearbeitet und umgewandelt werden um im Filmschnittprogramm verwendbar zu sein. Dort eingefügt und zusammengeschnitten war das Projekt fertig. Studienleistung erbracht. Ich schaute mir das Produkt noch ein letztes Mal um anschließend festzustellen, dass es doch nicht das ist, was rauszuholen wäre.

So setzte ich mich wieder hinters Cello, übte Tonleitern, Bogenstriche und spielte die Spuren noch einmal ein. Wieder wurden die Spuren geschnitten und umgewandelt und wieder wurden sie in den Film eingefügt. Jetzt aber wirklich fertig!

Mit dem Abschicken des Projektes stellte ich fest, dass ich mehr gemacht habe, als ich mir eigentlich vorgenommen hatte. Hatte ich gerade sogar Spaß? Und die viel wichtigere Frage die aufkam: War das jetzt diese Muße?

Kategorisch schloss ich bislang das gleichzeitige Auftreten von Arbeit und Muße aus. Aber irgendwo scheint ja auch Beppo in Michael Endes „Momo“ eine mußevolle Tätigkeit in seinen Straßenkehrertätigkeiten zu finden.

Gimmel schreibt dazu:

Ein Arbeiten in Muße wäre bloß ohne den Zwang zur Arbeit denkbar, denn nur dann wäre Freizeit nicht länger notwendig.

Volker Schmidt argumentiert in einem Interview:

Muße entzieht sich dieser Dimension (Arbeit und Freizeit), überschreitet bzw. durchschreitet sie, ist jenseits dessen. Erfülltes Tun ist während der Arbeit, aber natürlich auch in der Freizeit möglich.

Ich verspürte den Zwang zur Arbeit. Die Gedankenkette dahin ist einfach: Kein Projekt -> Kein Modulabschluss -> Keine Bachelorarbeit -> Kein Abschluss. Doch schien dieser Zwang ab einem bestimmten Punkt nicht mehr vorhanden zu sein. Spätestens nach der ersten Filmfassung, welche für die Abgabe reichte, weichte die extrinsische Motivation und es kam zu einem zweckfreien Genuss der Arbeit, losgelöst von zeitlichem Empfinden.

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